Heute möchte ich meine zweiäugige Rolleiflex 3,5 F Xenotar Twin-Lens-Reflex Kamera vorstellen. Es handelt sich hierbei um eine Mittelformat-Kamera, die Negative in der Größe von 6 x 6 cm belichtet. Tatsächlich sind es ca. 5,5 x 5,5 cm aber allgemein spricht man von dem 6 x 6 Format.
Der Urahne dieses Kameramodels wurde 1929 veröffentlicht. Das Besondere ist, dass diese Kamera aus zwei übereinander angeordneten Objektiven besteht. Das untere Objektiv ist das Aufnahme-Objektiv. Ein dahinter liegender Zentralverschluss regelt zusammen mit einer Blende die Lichtmenge, die auf den lichtempfindlichen Film geworfen wird und dort ein latentes Bild erzeugt, das durch Reduktion und Fixierung entwickelt und haltbar gemacht wird.
Ein zweites Objektiv, das oberhalb angebracht ist, dient der Komposition durch den Fotografen. Durch die Versetztheit der beiden Objektive kommt es natürlich zu einer Verschiebung der Ausschnitte – der sogenannten Parallaxe. Man kennt dies von unserem eigenen Sehapparat. Schließen wir abwechselnd eines der beiden Augen, verändert sich geringfügig der wahrgenommene Bildausschnitt. Bei weit entfernt liegenden Objekten ist dieser Effekt relativ unbedeutend, bei nahe liegenden tritt er deutlicher zu Tage.
Der Sucher
Die Rolleiflex hat eine eingebaute Parallaxe-Korrektur: Je nach eingestelltem Fokus verschieben sich Maskenrahmen, die den Sucher oben oder unten beschneiden.
Werden die beiden Hebel links und rechts vom Sucher gedrückt, lässt sich der Sucher bei den F-Modellen ganz einfach abnehmen.
Der Durchbruch gelang 1937 mit dem Automat Model, welches automatisch den Beginn des Filmstreifens erkennt und den Film immer nur so weit transportieren lässt, dass sich die Aufnahmen nicht überlappen und – besonders wichtig – die erste Aufnahme auch wirklich am Anfang des Filmstreifens steht.
Denn der verwendete Mittelformatfilm ist – anders als beim perforierten Kleinbildfilm – mit einem Klebestreifen an einem Papierstreifen befestigt. Ein Fühler erkennt, dass durch Papierstreifen plus Film das Material dicker wird und setzt den Zählmechanismus und die automatische Sperre in Gang.
Vor dieser Erfindung war es notwendig, dass durch ein Fenster in der Rückwand der Kamera auf dem Papier aufgedruckte Zeichen beachtet werden, die signalisierten, wann ein Bild beginnt. Durch den Automatismus der Rolleiflex Automat wurde der Filmtransport wesentlich schneller, was die Kamera beliebt machte bei Pressefotografen.
Das von mir vorgestellte Model stellte einen ersten Höhepunkt in der Entwicklung der doppeläugigen Spiegelreflexkamera dar. Es verfügt über einen eingebauten Selen-Belichtungsmesser (ungekuppelt), eine neuere und hellere Mattscheibe und einen abnehmbaren Sucherrahmen, der durch ein Prismaaufsatz ersetzt werden kann. Weiterhin sind die Objektive vergütet, wodurch höhere Kontraste möglich wurden bzw. optisch anspruchsvollere Objektivkonstruktionen umsetzbar wurden. Gebaut wurde es ca. 1968.
Belichtungsmesser
Außen auf dem Fokus-Knopf befindet sich eine gekuppelter Belichtungsmesser von Gossen. Die Selenzelle ist bogenförmig auf der Vorderseite der Kamera, direkt unter dem Rolleiflex-Schriftzug angebracht.
Auf der Anzeige ist eine Kelle mit einem Ring am Ende angebracht, neben einem Zeiger und einem roten Feld im Hintergrund.
Der Zeiger bewegt sich entsprechend dem Lichteinfall. Befindet er sich im roten Bereich, ist die Lichtmenge unterhalb dem unteren Limit des Messbereiches. Es kann keine verlässliche Belichtungsmessung vorgenommen werden.
Die Kelle bewegt sich entsprechend den Einstellungen zu Blende und Belichtungszeit. Werden diese beiden Parameter so eingestellt, dass sich die Kelle genau über der Nadel befindet, ist die Belichtung korket eingestellt – vorausgesetzt vorher wurde der korrekte ISO-Wert der Filmempfindlichkeit entsprechend eingestellt.
Ersatzteile für den Belichtungsmesser können bei eBay bestellt werden, meiner Erfahrung nach sind die Preise aber häufig überzogen: Rolleiflex Belichtungsmesser bei eBay [Affiliate Link]
Ich hatte meine Kamera zum Überholen nach einem Sturzschaden (Fokus lief nicht mehr sauber, bei bestimmter Fokuseinstellung löste die Kamera nicht mehr richtig aus) bei Paepke in Düsseldorf eingeschickt. Leider hatte ich die Kamera nicht richtig gepolstert, so dass auch noch der Belichtungsmesser einen Schaden bekam und unbrauchbar wurde. Die komplette Reparatur mit Einbau eines neuen Belichtungsmessers kostete komplett 550 Euro (Autsch). Bedenkt man allerdings, dass alleine eine Routine-Überholung bei verharztem Verschluss üblicherweise um die 300 Euro kostet, und bedenkt man weiterhin den Sturzschaden, wird klar, dass der Einbau plus Ersatzteile (neuwertig) des Belichtungsmesser nicht teurer waren als die Ersatzteile alleine, die bei eBay für über 200 Euro gehandelt werden. Dazu bekommt man noch Garantie und einen erstklassigen Service (Einstellscheibe und Spiegel wurden bei meiner Kamera gereinigt).
Objektive für die Rolleiflex F
Es gab dieses Modell mit vier verschiedenen Objektiven. Zwei Objektive von Carl Zeiss und zwei Objektive von Schneider Kreuznach.
Die Zeiss Objektive waren beide Zeiss-Planar-Konstruktionen, einmal mit der größtmöglichen Blendenöffnung von 2,8 und das andere Planar mit maximal 3,5. Die offenere Linse hat eine Brennweite von 80 mm, die kleinere eine Brennweite von 75 mm.
Dem entsprachen weitgehend die Schneider Kreuznach Objektive der Xenotar-Reihe. Hier gab es das 80 mm f 2,8 und entsprechend das 75 mm f 3,5.
Es gibt eine endlose Diskussion, welches Objektiv nun das bessere sei. Häufig findet man die Meinung, dass die 3,5-Variante schärfere Bilder erzeugt als das 2,8-Modell. Auch gibt es Diskussionen, ob nun Zeiss oder Schneider schärfere Bilder liefert und dass es hier unterschiede im Bokeh gibt.
Ich habe mich für das 3,5 Xenotar Objektiv entschieden, weil es zum einen deutlich günstiger als das 2,8er Modell ist und weil ich lange Zeit in Bad Kreuznach gelebt habe und daher eine gewisse Affinität zu Schneider Kreuznach nicht verleugnen kann. Ihr seht, hier haben also ganz unsachliche Gründe für diese Wahl gesprochen, zumal die Frage nach dem schärferen Modell wahrscheinlich nicht abschließend beantwortet werden kann.
Leder-Bereitschaftstasche
Die Kamera wurde in einer schönen Leder-Bereitschaftstasche geliefert, zusammen mit einem Lederriemen mit einem Rollei-eigenen Verschluss. Das macht diese Riemen sehr begehrt und teuer, wenn man sie einzeln nachkaufen möchte. Man kann hier aber auch mit unterschiedlichen Lösungen kostengünstig improvisieren.
Nachfolgend ein Link zur eBay Suche für den Riemen:Rolleiflex Gurt bei eBay [Affiliate Link]
Darauf achten, dass der Riemen für die Nachkriegsmodelle passt. Es ist der Riemen mit den Scissor-Clips. Es gibt aber auch neu gefertigte Riemen mit zweigeteiltem Ende, dass sich anstelle den Scissor-Clips einfädeln lässt:
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Diesen bekommt man auch bei amazon: Rolleiflex Gurt bei amazon.de [Affiliate Link]
eBay Suche für die Bereitschaftstasche:
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Rolleinar Nahlinsen
Für die Kamera gab und gibt es vielfältiges Zubehör. Interessant für Porträtfotografen sind hier zum Beispiel die Vorsatz-Linsen, die den Fokusbereich nach vorne verlegen. Standardmäßig kann die Rolleiflex nur bis zu einer minimalen Entfernung von knapp unter 90 cm fokussiert werden. Für ein Motivfüllendes Schulterporträt ist das ein wenig zu lang. Durch den Einsatz der Rolleinar I Nahlinse kann die Naheinstellgrenze verkleinert werden, so dass formatfüllende Porträts möglich werden.
Die Rolleinar Nahlinse gibt es in drei verschiedenen Stärken, sie nennen sich dementsprechend Rolleinar I, Rolleinar II und Rolleinar III. Außerdem gibt es diese für drei verschiedene Bajonett-Maße. Das Bajonett 1 wird an der Rolleiflex Automat verwendet. Die Rolleiflex 3,5 F benötigt das etwas größere Bajonett 2. Bajonett 3 ist das größte Bajonett, dies wird für die Rolleiflex 2,8 F benötigt.
Die Rolleinar Nahlinsen bestehen aus zwei Teilen. Der kleinere Teil wird vor das Aufnahme-Objektiv gesteckt, der größere Teil enthält ein Prisma, dass sich ausgleichend auf die Parallaxe durch den geringeren Aufnahme-Abstand auswirkt. Dieser Teil wird am Sucher-Objektiv (oberes Objektiv) befestigt. Es ist dabei darauf zu achten, dass sich der rote Punkt zum Schluss oben befindet, sonst wirkt sich die Verschiebung des Bildausschnitts durch das eingebaute Prisma in die falsche Richtung aus.
Es gibt die Rolleinar Nahlinsen auch in einer älteren Version, die aus zwei identischen Nahlinsen besteht, sowie einem aufsteckbaren Prisma. Die Nahlinsen werden auf je eine Linse gesetzt, abschließend kommt auf die obere Linse das Prisma für den Parallaxe-Ausgleich. Der Vorteil dieser Variante ist, dass sich die Nahlinsen kombinieren lassen. Eine Rolleinar 1 mit einem Dioptrien plus eine Rolleinar 2 mit zwei Dioptrien kombiniert ergeben optisch den selben Effekt wie eine Rolleinar 3 mit drei Dioptrien.
Die Rolleinar Nahlinsen wurden häufig mit einer praktischen Ledertasche geliefert, die sich am Tragriemen der Kamera befestigen lassen. So hat man die Naheinstelllinse immer dabei, wenn man sie braucht.
eBay Suche nach Rolleinar 1, 2 und 3 mit Bajonett II (für das 3,5F Modell) [Affiliate Link].
Achtung: häufig wird nur eine der beiden Linsen angeboten. Darauf achten, dass das Set komplett ist – gegebenenfalls beim Verkäufer vorher nachfragen ob es sich um ein komplettes Set für Aufnahme- und Sucher-Objektiv handelt! Verwirrend kann hier sein, dass es die Linsen als dreier und als zweier Set gibt.
Gegenlichtblende/Streulichtblende
Ein weiteres wichtiges Accessoire ist die Gegenlichtblende / Streulichtblende. Sie verhindert, dass direktes Licht auf die Linse fällt und unschöne Flares verursacht. Da die Mehrschichtvergütung der Linsen erst in den 1970er Jahren eingeführt wurde, sind die einfach vergüteten Linsen der Rolleiflex 3,5 F etwas anfällig gegen Streulicht. Eine passende Gegenlichtblende hilft hier sehr gut. Zum Glück gibt es seit einigen Jahren Hersteller, die diese nachgebaut entsprechend dem Original anbieten. Die Preise sind damit dramatisch gefallen. Während eine Streulichtblende in den 2000er Jahren noch 50,– bis 100,– Euro auf dem Gebrauchtmarkt kostete – vorausgesetzt man war so glücklich überhaupt eine angeboten zu bekommen, sind gut verarbeitete Kopien für Preise deutlich unter 20,– Euro inklusive Versand heute verfügbar.
Ich kaufe häufig direkt aus China. Meine Erfahrungen sind sehr gut. Sollte mal etwas nicht in Ordnung sein, wurde bei mir bisher immer unkompliziert der Kaufpreis erstattet oder Ersatz geschickt.
Rolleiflex Gegenlichtblende (Lens Hood) bei eBay [Affiliate Link].
Darauf achten: für das 3,5F Modell wird das Bajonett II benötigt, für das 2,8F Modell Bajonett III.
Bedienungsanleitung
Nachfolgend ein/e Bedienungsanleitung / Manual / user guide zum Herunterladen und Ausdrucken.
Und abschließend noch eine eBay Suche nach der Rolleiflex: Rolleiflex 3,5F Xenotar bei eBay [Affiliate Link]
Weiterführende Links zur Rolleiflex:
Sehr gute Darstellung, vor allem des mir bisher noch nicht bekannten Parallaxenausgleichs bei Rolleiflex. Bei meiner Mamiya C300 wird oben links im Sucher eine Nadel eingeblendet, die bei kurzen Entfernungen nach unten wandert und die Oberkante des Bildes markiert.
Hallo Apfelsaft,
es freut mich, dass Dir mein Artikel gefallen hat. Deine Mamiya C300 stand bei mir auch zur Diskussion, vor allem wegen der Möglichkeit so nah in den Fokus zu gehen und wegen den Wechselobjektiven.
Letztendlich entschied ich mich wegen dem geringen Gewicht für die Rolleiflex.
Bin auf den guten Artikel gestoßen weil ich noch immer die offene Frage habe, warum an meiner Rolleiflex 6×6 No 662 480 (also New Model) die Sucherlinse KEINERLEI Angaben aufweist.
Ich tippe zwar auf „Kriegsfolgen“ aber bislang kann mir niemand weiterhelfen.
Auch merkwürdig, dass die Kamera zwar eine Kurbel hat, die Orig Rolleiflex Ledertasche aber letztlich nur ein „Kästchen“ ist, wo sie zwar haargenau hineinpasst aber eben nicht bedient werden kann.
Das hört sich spannend an, wenn Du mir Bilder schickst, kann ich die hier gerne veröffentlichen, vielleicht findet sich dann jemand, der weiterhelfen kann.
Ich selber bin kein absoluter Rollei-Profi sondern benutze die Kameras lieber.