In diesem Artikel möchte ich eine meiner Lieblingskameras vorstellen, nämlich die russisch/ukrainische Fortführung der Zeiss Contax II bzw. Contax III Messsucher Kamera.
Während die deutsche Vorlage von Zeiss in den 1930er Jahren entwickelt wurde und nach dem Krieg nicht ganz freiwillig der Nachfolger Contax IIa bzw. Contax IIIa eingeführt wurde, produzierte Arsenal Kiev die Kiev 4 bis in die 1980er Jahre kaum verändert weiter.
Das spannende an der Kiev ist, dass man sie nicht als Contax Kopie bezeichnen kann, vielmehr übernahmen die Sowjets die Zeiss Fabrik als Reparationszahlung nach dem Krieg und transportierten sie samt Maschinen, Plänen, Werkzeug und Personal! nach Kiev in der Ukraine, wo also mit original Zeiss Equipment die Herstellung unter staatskapitalistischer Produktionsweise weitergeführt wurde.
Auch wenn eingefleischte Zeiss- und Contax-Fans das natürlich ganz anders sehen, kann man mit einem gewissen Augenzwinkern sagen, man fotografiert mit einer Kiev 4 in etwa so, wie z. B. ein Robert Capa (Gründungsmitglied der Fotoagentur Magnum). Mit der Contax II/III und der Leica begann eigentlich erst die moderne Reportage-Fotografie. Die Einführung des Kleinbildformates in der Fotografie, möglich geworden durch fortschreitende Lichtempfindlichkeit des Filmmaterials gepaart mit wachsendem Auflösungsvermögen (Feinkörnigkeit), ermöglichten eine ganz neue Art des Fotografierens. Leica-Fotograf Henri Cartier-Bresson prägte den Begriff des Entscheidenden Augenblickes (The Decisive Moment) – es war nun möglich mit leicht transportablen Kameras, die sich dank Messsucher schnell fokussieren ließen und aufgrund hoher Lichtempfindlichkeit und Objektiven mit großer Anfangsöffnung ohne Stativ aus der Hand „Schnappschüsse“ zu machen. Daraus entwickelte sich die moderne herantastende Arbeitsweise der Reportage-Fotografie.
Robert Capa fotografierte mit seiner Contax zwei ikonische Bilder der Reportage-Fotografie: die Erschießung eines spanischen Soldaten durch die Kugel eines Franko-Putschisten im spanischen Bürgerkrieg (1936–39) und die Landung der Alliierten am D-Day (6. Juni 1944) in der Normandie.
Ersteres Bild markierte den Beginn des öffentlichen Interesses in den USA am Vormarsch der Faschisten in Europa und war somit der Beginn einer Diskussion um militärische Einmischung durch die USA. Das zweite Bild markiert das Ende dieses Prozesses, die USA waren danach nicht mehr dieselben wie zuvor sondern waren nun zusammen mit der UdSSR eine der beiden einzigen Weltmächte mit militärischem Engagement in der ganzen Welt.
Doch zurück zur Kiev. Während die frühen Kievs II und III aus den 1940er und frühen 1950er Jahren noch gleichwertig mit den Contax Kameras waren, sank die Produktionsqualität mit den Jahren leider kontinuierlich.
Ich bin stolzer Besitzer von zwei Kiews, einer Kiev 4 und einer Kiev 4a.
Kiev 4
Die Kiev 4 ist ausgestattet mit einem Selen-Belichtungmesser und einem Jupiter-3 Objektiv mit einer Anfangsöffnung von f 1,5. Das Objektiv ist ein Nachbau des Zeiss Sonnar. Es kann natürlich nicht mit modernen Linsen, wie dem Super-Takumar 1,4 50 mm, Zeis Planar 1,4 50 mm oder Canon 1,4 50mm mithalten, produziert aber trotzdem schöne Bilder, mit ausreichender Schärfe, neutralen Überstrahlungen bei Offenblende und traumhaftem Bokeh.
Natürlich kann das Jupiter-3 Objektiv nicht mit aktuelleren Konstruktionen mithalten, wenn es um das Auflösungsvermögen geht. Häufig wird das J-3 aber auch zu unrecht gescholten. Häufig wird nämlich die Version mit Schraubgewinde M39 an Leica II oder Leica III Kameras verwendet, in dem Glauben, dass das Jupiter 3, dass für russische Leica-Kopien konstruiert wurde auch hier einwandfrei funktioniert. Allerdings handelt es sich bei den Leica-Kopien eben um Kopien. Kameras wie die Zorki oder FED wurden nach dem Vorbild Leica II nachgebaut, aber eben nicht nach original Plänen und mit original Werkzeugen. So kommt es, dass das Auflagemaß bzw. die Steigung des Gewindes minimal von dem Leica Original abweicht. Bei kleineren Blenden fällt dies nicht so stark auf, bei dem extrem kleinen Schärfe-Bereich des Jupiter 3 hingegen schon. Viele Leica-Fotografen, die nach dem Kauf eines teuren Original-Gehäuses nun kein Geld mehr übrig hatten für ein lichtstarkes Leica Objektiv und dachten, mit dem Jupiter-3 ein Schnäppchen machen zu können, wurden nun enttäuscht. Wahrschinlich ist dies auch der Grund, weshalb das Jupiter 3 solch einen schlechten Ruf hat und man immer wieder auf die hohen Fertigungstoleranzen bei russischen Kameras und Objektiven hingewiesen wird – gerne wird hier auch vom Russischen Roulette gesprochen 🙂
So überrascht es nicht, dass das Jupiter 3 Objektiv mit Kiev-Anschluss nicht diesen schlechten Ruf hat.
kein kommentar, eine laienhafte) frage: gibt/gab es eine rot belederte kiew oder ist das ein fake?
danke!
pw
Hallo, ist die Frage, wie man „Fake“ definiert. Original ist nur die schwarze Kunststoff-Belederung. Allerdings kann man sich für die Kiews (und Contax-Kameras) eine neue Belederung anfertigen lassen. Die wird entweder maßgeschneidert mit Klebefläche auf der Innenseite geliefert oder man schickt die Kamera zur Umrüstung ein.
Allgemein wird dies gerade bei den Kiev-Kameras als optische Aufwertung angesehen, die natürlich den Kaufpreis in die Höhe treibt. Eine Original-Kiev mit roter Belederung ist mir jedoch nicht bekannt (was nicht unbedingt bedeutet, dass es die nicht vielleicht doch gibt).
Wo hast Du das Exemplar denn gesehen? Wenn Du einen Link hast, kann ich mal schauen.
Danke für die Ausführungen zur Kiev u Objektiv. Ich besitze 2 K4 AM, Bj 1979 mit Olympia Aufkleber u 1984. Objektive das Helios und Jupiter 8, wobei mein Eindruck ist, das Helios ist ein tick schärfer. Aber beide finde ich sehr gut… und die Kameras auch. Dann der flüsterleise Verschluß, der es gestattet, bei Vorträgen, Gottesdiensten …. zu fotografieren. Nun gut, die Handhabung – aber das hat man schnell raus, eine Reportagecam ist es eben nicht.
Leider gehen bei Beiden die Selen-Belis nicht. Eine ist tot, die andere reagiert aber grottenfalsch.
Frage: gibt es die Möglichkeit den Beli zu ersetzen (wegen mir in d Ukraine)?
Viele Grüße
Hallo,
ich habe hier eine Anleitung gefunden, wie an einer russischen Zenit-E der Selen Beli gegen eine moderne SOlarzelle (Taschenrechner) getauscht werden kann: http://tomtiger.home.xs4all.nl/zenrep/meter.html
Irgendwo habe ich auch mal was gesehen, wo man Selen-Zellen nachbestellen kann, wenn ich das wiederfinde, poste ich es hier.