Es hat mich mal wieder gepackt und endlich habe ich mich durchgerungen in die Großformatfotografie einzusteigen. Ein falscher Klick auf eBay zeigte mir, wie günstig eine Graflex Crown Graphic schon zu haben ist. Ich dachte, statt viel Geld in einen hochauflösenden Scanner zu investieren, vergrößere ich einfach das Bildformat. Ich mache ja sowieso eher wenig Bilder, und bion immer am Hadern, ob ich nun Farbfilm oder Negativfilm in die Rolleiflex laden soll. Da kommt mit das Großformat mit seinen einzeln zu bestückenden Kassetten ziemlich entgegen.
Schnell hatte ich mich für eine Graflex im mittelmäßigen Zustand enschieden, es gibt ja leider nur wenig Informationen im Internet über diese Kamera, verglichen mit der Zahl der verkauften Kameras. Meine ist lichtdicht, relativ sauber, dafür funktionieren einige Sachen, die das Besondere der Graflex-Presse-Kameras ausmachen leider nicht: Dem Auslöser am Kameragehäuse fehlt der Verbindungs-Arm zum Objektivverschluss, der Messsucher (ja, die Graflex hat einen Messsucher!) ist nicht auf die Brennweite des Objektivs eingestellt (hierzu wird je nach Brennweite ein spezieller „Cam“ benötigt. Ich glaube mein Messsucher ist mit einem Cam für 135 mm ausgestattet). Außerdem fehlt der Sucher, der durch verschiedene Blenden auch noch auf unterschiedliche Brennweiten eingestellt werden kann.
Im Prinzip ist die Graflex Crown/Speed Graphic eine Messsucher-Kamera, wie die Leica II und III, mit getrenntem Einblick zum Bildausschnitt-Bestimmen und zum Scharfstellen – nur mit einem größeren Bildformat, nämlich 10 x 12 cm statt 2,4 x 3,6 cm. Außerdem kann immer nur ein Bild belichtet werden, danach muss die Filmkassette gewechselt werden (gegenüber 36 Aufnahmen bei Leica III).
Aber daneben bietet die Graflex Crown/Speed Graphic die Möglichkeit, über eine Mattscheibe zu Fokussieren. Da ich die Kamera eben nicht als Messsucher-Kamera nutzen wollte, konnte ich auf diese Funktionen verzichten und konnte die Kamera noch günstiger ersteigern, bemerkte aber erst beim Ausprobieren, dass die Verstellmöglichkeiten doch recht eingeschränkt sind gegenüber einer voll ausgewachsenen Fachkamera.
Die zwei schwerwiegendsten Mängel sind die fehlende Schwenkbarkeit der Frontstandarte und die Tatsache, dass sich das Rückteil nicht drehen lässt – es sind nur Aufnahmen im Querformat (Landscape) möglich.
Gerade wenn man Portrait-Aufnahmen machen möchte, wird meistens das Hochformat bevorzugt. Dies kann man dadurch ausgleichen, dass die Kamera einen Gewindeanschluss sowohl an der Seite als auch am Boden besitzt.
Allerdings kommt nun das Problem der fehlenden Schwenkbarkeit zum Tragen: wird die Kamera gedreht, wird aus dem fehlenden Schwenken ein fehlender Tilt. Und gerade der Tilt ist hilfreich, um die Schärfeebene nach Scheimpflug zu verschieben.
Denn zum Einen ist bei 4×5 die Schärfentiefe noch mal deutlich geringer (Blende 5,6 fühlt sich an wie 1,2 bei Kleinbild). Daher ist es häuft notwendig, das Objektiv zu tilgen, um Augen und Nasenspitze zugleich Scharf zu stellen, zum anderen macht man sich im Großformat gerne die Möglichkeit zunutze, durch Tilt die Schultern in die Unschärfe zu legen. Dadurch wird die Aufmerksamkeit des Betrachters auf das Gesicht der Porträtierten Person gelenkt. Dies ist das allseits berühmte Spiel mit der Schärfentiefe.
Zunächst dachte ich nicht an solche Begebenheiten sondern wollte nur das größere Format, doch setzt man sich etwas mit Großformatfotografie auseinander, vermisst man diese Möglichkeit recht schnell. Großformat fängt an, sich unkomplett zu anzufühlen.
Zum Glück gibt es auch hier Abhilfe. Dafür muss man google einfach wieder die richtigen Fragen stellen. Ich wußte zwar schon, dass die Graflex kein Schwenken ermöglicht, tat aber einfach mal so, als ob ich wissen wollte, wie man denn nun diese blöde Frontstandarte „swingen“ kann und gab bei google ein: „Graflex Crown Graphic front Standard swing“. Und siehe da, für alles gibt es eine Lösung und für uns eine Bastelanleitung zum Graflex Crown/Speed Graphic Front Standard Swing Mod.
Die Modifikation ist eigentlich recht simpel, alles was man dafür braucht ist ein Feinbohrschleifer (auch Dremel genannt) mit geeigneten Schleifaufsätzen (sowie Schutzbrille und Mundmaske). Am Ende des Artikels mach ich eine Einkaufsliste mit Affiliate Links direkt zu entsprechenden Artikeln. Wenn Ihr Euch für diesen Artikel bedanken wollt, würde ich mich über einen Kauf über diese Links freuen, ihr unterstützt damit diesen Blog ohne einen Cent zahlen zu müssen.